Vimukthi, mein Projekt für die nächsten 6 Monate

22.03.2019

Ich bin jetzt schon einen Monat in Indien und ich muss sagen, dass die Zeit ziemlich schnell vergangen ist. Es ist komisch zu wissen, dass ich jetzt schon einen Monat da bin, weil ich das Gefühl habe, dass ich noch nicht wirklich viel gemacht oder erreicht habe. Es kommt mir vor, als ob ich nur zuhause gesessen wäre und gechillt hätte, obwohl das wirklich nicht stimmt. Ich bin jetzt seit gut drei Wochen in meinem Projekt tätig, habe ein halbes Dutzend anderer Projekte kennen gelernt. Ich war auf mehreren Functions wie einer Hochzeit, dem 60ten Geburtstag von einem Father und einer Feier für eine neue Wasserpumpe in einem Außenprojekt. Ich habe Holi gefeiert, habe einen Wasserpark mit den Kids besucht, war auf zwei Fotoshootings und ich bin mit dem Zug, Bus, Riskshaw und per Anhalter gefahren. Und nebenbei habe ich noch dutzende neuer Menschen kennen gelernt, mich in eine neue Kultur eingelebt, war einmal krank und habe meine neue Umgebung erkundet. Das ist eigentlich ziemlich viel. Aber irgendwie fühlt es sich nicht so an.

Ach, und außerdem wurde mein Laptop geklaut. Und wieder zurück gebracht nach einer Woche. Also ja, hier läuft es irgendwie anders 😊

Aber ich würde gerne diesen Blog nutzen, um mein Projekt im Vimukthi einmal vorzustellen.

Wo liegt das Vimukthi?

Das Vimukthi ist ein Projekt, das außerhalb der Stadt Vijayawada liegt. Es liegt in einem Mangoanbaugebiet und grenzt noch an ein Maisfeld und einer Guavenplantage. Auf dem Areal befindet sich ein großer Sportplatz, das Schulgebäude mit Wohnbereich, Küche und so weiter, ein Gemüsegarten und viiiiiel Platz. Mit uns leben dann noch Hühner, Wellensittiche, Hunde, Mücken, Geckos Schafe und Wasserbüffel auf dem Gelände zusammen.

Um ins Vimukthi zu kommen, muss man erst einmal anderthalb Stunden mit dem Bus nach Nuzvid fahren und dann entweder per Anhalter oder mit der Rickshaw weiter. Nach circa 15 Minuten steigt man dann aus und läuft noch circa weitere 20 Minuten eine staubige Straße entlang um dann zum Projekt zu gelangen. Also wie man sieht, liegt das Projekt Vimukthi ordentlich abgelegen.

Diese Abgeschiedenheit war für mich damals ein großer Pluspunkt. Denn der ständige Lärm und der Trubel der Stadt und die Absage der Autos und der Motorräder waren für mich am Anfang sehr belastend. Im Projekt genieße ich jetzt die abendliche Stille und Ruhe. Ich genieße es total keine Hupen zu hören, keine städtischen Hintergrundgeräusche und ich liebe die Nähe zur Natur. Außerdem ist man keinen zusätzlichen Ablenkungs- und Einflussfaktoren ausgesetzt. So kann ich mich ganz auf das Projekt, die Kinder und das Leben dort einlassen und konzentrieren.

Der Beginn von wunderschönen Mangos
Der Beginn von wunderschönen Mangos

Das Projekt Vimukthi

Vimukthi ist ein Auffangort für Jungs, die entweder verhaltensauffällig sind und/oder ehemalige Drogen- und Straßenkinder sind. Dies ist auch ein Grund, warum das Projekt so weit entfernt der großen Stadt liegt. Die Kinder sollen durch einen klarstrukturierten und gleichbleibenden Tagesablauf fernab der städtischen Ablenkung ihr Leben wieder in die rechten Bahnen bringen und den richtigen Fokus wiedererlangen. Jetzt darf man sich das aber nicht allzu drastisch vorstellen.

Wie das Projekt seine Anfänge geschrieben hat, waren sehr viele kriminelle und verhaltensauffällige Kinder im Projekt. Jetzt aber ist das sehr abgemildert und nicht mehr sooooo dramatisch. Unsere Jungs sind super lieb, manchmal ein wenig rauflustig und grob, aber im Herzen sehr liebenswürdig. Sicherlich habe viele der Kinder und Jugendliche damit zu kämpfen, dass sie keine Eltern oder keine Familie mehr haben, aber die Jungs bilden unter sich eine starke Gemeinschaft und helfen sich gegenseitig. Sie schlichten Streits, trösten einander und halten zusammen. Es klingt vielleicht jetzt sehr nach Bilderbuch, was es für die Jungen nicht ist, aber es ist auch nicht mehr so schlimm, wie es einmal war. Und das ist ein Silberstreif am Horizont.

Der Tagesablauf

Die Jungs stehen jeden Tag um 5:30 auf. Dann gibt es für sie Frühsport wie Laufen und Stretching und danach gibt es Duties wie Putzen, Wäsche waschen und so weiter. Um 8Uhr sind dann auch wir Volontäre mit von der Partie. Denn da ist Morning Prayer, wo wir alle gemeinsam draußen unter dem Mango Baum sitzen, singen, beten und meditieren. Um 8:30 gibt es Frühstück und um 9:15 Assembly, wo die indische Nationalhymne gesungen und das indische Gelöbnis aufgesagt wird. Falls es weitere Ansagen für den Tag gibt, ist hier dafür Platz. Anschließend finden drei Unterrichtsstunden statt - Englisch, Mathematik und Telugu - und danach gibt es Mittagessen. Während des Tages gibt es dann auch noch die Aufgabe die Schafs- und Wasserbüffelherde grasen zu führen. Das wird jeden Tag von zwei bis vier Jungs übernommen. Das nimmt meist den halben Tag in Anspruch.

Nach dem Mittagessen gibt es Craftclass, wo die Jungs ihrer Kreativität freien Raum geben können - soweit es zumindest die Zeit, die Lust und die Möglichkeiten zulässt. Tuschkasten, Malstifte und Wolle für Freundschaftsbänder sind meistens da, auch Mandalas werden oft und gerne ausgemalt (Leider müssen wir auch für alle weitere Materialen sorgen und das geht auf Dauer gut ins Geld). Nach der Craftclass folgt die Gartenarbeit und danach findet von 16 bis 18 Uhr die gemeinsame Spielzeit draußen statt. In der ersten Woche wurde immer Cricket gespielt, aber Glück für mich, hat sich das von Cricket auf Volleyball erweitert. Da ich Cricket nicht in allen Zügen und Regeln verstehe und dort im Allgemeinen nicht so viel Bewegung wie im Volleyball stattfindet, finde ich Volleyball als Teamsport einfach besser. Und ich denke, dass die Jungs auch alle mit Begeisterung und Elan mit dabei sind. Nach der Gamestime geht es dann zum Duschen und zur Studytime über, die frei gestaltet werden kann. Ob man extra Aufgaben erledigt oder wieder kreativ wird, unterliegt den Jungen selber. Anschließend, um 19:30 Uhr kommt die Feelingsround. Diese bietet Raum und Zeit seine Gefühle vom Tag mit anderen zu teilen. Dort werden Streits, gute Momente und allgemeine Hochs und Tiefs des Tages angesprochen. Um 20Uhr gibt es dann Abendessen und bis 21:30 gibt es freie Abendgestaltung im Sinne von Fernsehschauen, Spiele spielen, Tanzen oder nichts machen. Je nach Laune und ob der Fernseher funktioniert, sind die Jungs dann beschäftigt. Letztens hatte der Fernseher kein Bild und dann haben sich die Jungs wie wild übers Gelände gejagt und gerauft, so wie es jugendliche Burschen eben machen. Danach saßen wir noch alle draußen und haben geredet. Das war ein super toller Abend mit qualitativ guter Zeit mit den Jungs.

Es kommt aber natürlich auch vor, dass man sich nicht allzu stark an den Plan hält. Einmal kam der Friseur aus der nächstgelegenen Stadt vorbei und hat allen Jungs die Haare geschnitten. Das hat zum Beispiel den halbe Tag gedauert. Ein andermal kamen Brüder der städtischen Gemeinde vorbei und haben den Jungs Gott und das Gebet nähergebracht. Ein andermal stand ein ärztlicher Check-up an der Tagesordnung, bei dem Puls, Blut und allgemeiner gesundheitlicher Zustand überprüft wurde. Oder ein Trip zum Krankenhaus, wo Wunden und andere Verletzungen untersucht und behandelt wurden.

Kurzum, es wird nie langweilig, aber es wird doch versucht, eine gewisse Routine beizubehalten, die im Großen und Ganzen doch beachtet wird.

Wenn der Friseur da war und einige auf Gandhi-Style gehen
Wenn der Friseur da war und einige auf Gandhi-Style gehen

Unsere Aufgaben im Vimukthi

Der Aufgabenbereich im Vimukthi kann in einigen Bereichen sehr variieren, je nach dem wer da ist und wie viel man sich einbinden möchte und kann. Wir, als Frauen, sind zum Beispiel für den Morgensport eher ungeeignet, weil es hier in Indien eher unüblich ist, dass Frauen mit den Jungs gemeinsam Sport machen. Eine Ausnahme mache ich aber bei den nachmittäglichen Spielen. Denn dafür spiele ich einfach zu gerne Volleyball 😊. Somit sind wir also erst ab 8Uhr bei dem morgendlichen Gebet dabei. Welche Aufgaben aber fix zu jedem Aufgabenbereich eines Volontärs gehören, sind die Englisch- und Mathestunden, sowie die Craftclass und die Studytime am Abend. Der Rest ist uns überlassen wie viel wir uns einbringen wollen. Lilli und ich sind eigentlich den ganzen Tag bei den Jungs, weil wir so eine gute Bindung mit ihnen aufbauen können. Wenn man mit den Jungs spielt oder sich einfach nur unterhält, baut man eine ganz andere Bindung zu ihnen auf, als wenn man sie nur unterrichtet und ihnen Aufgaben gibt. So sehe ich mich auch als Volontärin. Ich sehe mich als eine Person, die mit den Jungs lernt aber auch von ihnen lernen möchte. Ich möchte Teil ihres Lebens werden und im besten Falle auch da sein, wenn es ihnen einmal nicht so gut geht. Somit endet mein Tag um 21:30, wenn die Jungs ebenfalls zu Bett gehen. Lilli und ich chillen dann meistens noch ein Weilchen und lassen den Tag Revue passieren und reden darüber, wie es uns geht oder was uns so im Kopf herumfleucht.

Freundschaftsarmbänder von den Burschen
Freundschaftsarmbänder von den Burschen

Meine Schwierigkeiten im Projekt

Warum ich diesen Teil in meinen Bericht mit hineinnehme und warum ich finde, dass ihr das wissen solltet: Für mich ist es wichtig, dass ihr, als meine Leser, wisst, woher ich komme und nachvollziehen könnt, warum ich einige Dinge vielleicht anders sehe als andere Volontäre. Ich bin bereits 28 Jahre alt und studiere. Somit habe ich möglicherweise andere Themengebiete und Schwerpunkte als anderen Volontären, die 18 Jahre alt sind und gerade ihre Matura/ Abitur gemacht haben. Zum Beispiel meine ich mit Schwierigkeiten die Diskrepanz, die aus meinem Anspruch an mich, an die Jungs und an das Projekt resultieren. Ich bin angehende Lehrerin und habe eine gewisse Erwartungshaltung an mich und an meine Arbeit hier. Und dies ist eine weitere Facette von meinem Volontariat hier in Indien. Und genau deshalb möchte ich diesen Teil mit in meinen Blog hineinnehmen.

Eine Schwierigkeit, die ich habe, ist die (Nicht-) Ruhe in der Klasse. Ich bin noch neu und weiß noch nicht ganz, wie ich die Klasse zur Ruhe bringen kann. Ich habe auch den Anspruch, dass ich den Jungs guten, inhaltsvollen und spannenden Unterricht biete. Das ist allerdings für mich noch schwierig umzusetzen, da ich kaum Arbeits- und Unterrichtsmaterialen habe. So muss ich versuchen kreativ zu werden und das Beste aus dem zu machen, was mir zur Verfügung steht. Des Weiteren haben die Burschen stark schwankende schulische Level. Einige der Schulabbrecher können kaum das englische Alphabet und andere können schon ganze Aufsätze schreiben. In Mathematik reicht das Level von einfachen Additions- und Subtraktionsaufgaben zu binomischen Formeln.

Um die zuletzt genannte Schwierigkeit besser in den Griff zu bekommen, haben meine Mitvolontärin Lilli und ich entschieden, die Jungen in zwei Klassen zu teilen und je nach Level und Niveau andere Aufgaben zu stellen. Dadurch hoffen wir, dass wir den Jungs mehr beibringen können und ihren Ansprüchen auch gerechter zu werden. Auch haben wir so einen besseren Fokus auf sie und können ihnen möglicherweise schulisch besser weiterhelfen.

Bei den anderen Schwierigkeiten wird die Zeit uns Lösung bringen.

Ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden! 😊

Unsere Wasserbüffelherde
Unsere Wasserbüffelherde
Tabea Strich - Reise-Blog
Alle Rechte vorbehalten 2018
Unterstützt von Webnode
Erstellen Sie Ihre Webseite gratis! Diese Website wurde mit Webnode erstellt. Erstellen Sie Ihre eigene Seite noch heute kostenfrei! Los geht´s